4. Februar 2022 / Aus aller Welt

Drosten reagiert auf Täuschungs-Vorwürfe

Durch Interviews mit einem Hamburger Forscher nimmt die Debatte um den Corona-Ursprung wieder Fahrt auf. Virologe Drosten sieht sich mit scharfer Kritik konfrontiert - und argumentiert dagegen.

«Das ist kein Interview, sondern ein Vorkommnis»: Christian Drosten.

Der Virologe Christian Drosten hat empört auf Äußerungen des Hamburger Forschers Roland Wiesendanger im Magazin «Cicero» reagiert, in denen dieser Drosten und weiteren Virologen gezielte Täuschung zum Ursprung der Corona-Pandemie vorwirft.

«Cicero bietet einem Extremcharakter die Bühne und provoziert persönliche Angriffe gegen mich durch suggestive Fragen», kritisierte Drosten via Twitter. Belastbaren Tatsachenbehauptungen werde ausgewichen, so der Wissenschaftler von der Berliner Charité. «Das ist kein Interview, sondern ein Vorkommnis.» Zudem nahm er inhaltlich Stellung zu Aspekten der These, die Pandemie rühre von einem Labor-Unfall her.

Zuvor war neben dem Interview mit dem Physiker Wiesendanger im «Cicero» auch eines mit ihm in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) erschienen. In beiden führte der Forscher in mehreren Punkten seine Theorie aus, Sars-CoV-2 stamme aus einem Labor in Wuhan. Führenden internationalen Virologen wie Drosten, die von einem Ursprung des Virus aus dem Tierreich ausgehen, warf er bewusste Irreführung und Vertuschung vor.

Aus Wiesendangers Sicht spricht etwa ein besonderes Merkmal von Sars-CoV-2 für einen nicht-natürlichen Ursprung des Virus: Die sogenannte Furin-Spaltstelle. Dieser Teil in der Struktur des Spike-Proteins ermögliche es Sars-CoV-2, leichter in menschliche Zellen einzudringen. Die Spaltstelle sei zuvor für diese Gruppe von Coronaviren nicht bekannt gewesen, so Wiesendanger – habe sich dann aber im Erbgut von Sars-CoV-2 gefunden. So liege der Schluss nahe, sie sei eingebaut worden. US-Forscher hätten 2018 sogar einen Antrag auf Forschungsgelder für dieses Vorhaben gestellt, der aber abgelehnt worden sei.

Drosten reagiert auch inhaltlich

Dazu erklärte Drosten auf dpa-Anfrage, es sei richtig, dass derartige Spaltstellen in der Untergattung der Sarbecoviren, zu der auch Sars-CoV-2 gehöre, bisher nicht gesehen worden seien. In anderen Coronavirus-Gruppen kämen solche Spaltstellen aber vor. «Gleichzeitig ist es vollkommen klar, dass das natürliche Spektrum von Sarbecoviren noch stark untererfasst ist», so Drosten.

Eine aktuelle Arbeit zu Fledermausviren habe gezeigt, «dass es durchaus Typen von Sarbecoviren gibt, bei denen die Entstehung einer solchen Furin-Spaltstelle nur ganz wenig zusätzliche Veränderung benötigen würde», erklärte der Virologe. So seien auch molekulare Grundvoraussetzungen, die die Entstehung solcher Spaltstellen begünstigten, vorhanden. «Daher lässt sich von der Furin-Spaltstelle bei Sars-CoV-2 – auch wenn sie tatsächlich eine Auffälligkeit darstellt – kein Nachweis auf einen nicht-natürlichen Ursprung führen», resümierte Drosten.

Ein weiteres Indiz für den Ursprung des Virus im Labor-Umfeld sieht Wiesendanger dem NZZ-Interview zufolge darin, dass am Institut für Virologie in Wuhan die «weltweit größte Datenbank für Coronaviren» im September 2019 abgeschaltet worden sei – unter nicht abschließend geklärten Umständen. Wenn man sie wieder anschalte, so sei er überzeugt, lasse sich über sie die Virus-Herkunft finden.

Drosten entgegnete, den konkreten Fall könne er nicht beurteilen, da er von der Abschaltung der Datenbank nur aus öffentlichen Medienberichten wisse. «Ich kann nur sagen, dass es nicht üblich oder verbreitet ist, solche Informationen in die Öffentlichkeit zu stellen», sagte er. «Auch inhaltlich kann ich hierzu nichts beitragen, da ich die Datenbank vorher nicht kannte.»

WHO: Labor-Theorie «extrem unwahrscheinlich»

Eine Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war in einem Bericht zur Herkunft des Coronavirus zu dem Schluss gekommen, die Theorie, das Virus könne mit einem Labor-Vorfall zu tun haben und sei somit künstlichen Ursprungs, sei «extrem unwahrscheinlich». Die Debatte und Forschung zum Ursprung des Virus reißt aber auch zwei Jahre nach Pandemie-Beginn nicht ab.

Wiesendanger, der an der Universität Hamburg arbeitet, vertritt schon länger eine konträre Position. Vor rund einem Jahr sorgte er mit einer Untersuchung für Schlagzeilen, in der er zum Ergebnis kam, dass sowohl Zahl als auch Qualität der Indizien für einen Labor-Unfall am virologischen Institut der Stadt Wuhan als Ursache der Pandemie sprächen. In der Kritik stand nicht zuletzt die Methodik der Arbeit – als Quellen nutzte er beispielsweise auch Youtube-Videos.

Die «Cicero»-Redaktion reagierte zunächst ihrerseits mit einem Tweet auf Drostens Kritik an dem Interview. «Wir halten die Kategorisierung unseres Gesprächspartners als "Extremcharakter" in diesem Kontext für nicht weiterführend», hieß es. Man biete an, ein Streitgespräch zwischen Wiesendanger und Drosten zu organisieren und zu dokumentieren.


Bildnachweis: © Kay Nietfeld/dpa
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