7. September 2023 / Aus aller Welt

Lage in Griechenland spitzt sich zu

Menschen harren auf Hausdächern aus, das Wasser versperrt Rettungskräften den Weg, in der Hafenstadt Volos geht das Trinkwasser zur Neige - die Folgen von Sturmtief «Daniel» sind katastrophal.

Hochwasser umgibt Häuser und Bauernhöfe nach dem Rekordregen in der Region Thessalien.

Die Hochwassersituation in den von Starkregen betroffenen Gegenden Mittelgriechenlands hat sich am Donnerstag zugespitzt. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beauftragte das Militär, zu helfen. Erstmals konnten im Laufe des Tages auch Hubschrauber Menschen von den Dächern der Häuser in den überfluteten Gebieten retten. Derweil stieg die Zahl der Todesopfer auf vier, wobei noch unklar blieb, wie viele Menschen vermisst werden.

Das Militär soll auch mit schwerem Gerät wie gepanzerten Fahrzeugen helfen, die zu den isolierten Dörfern vordringen können, wie Regierungssprecher Pavlos Marinakis sagte. Zudem sollen Militäringenieure behelfsweise Brücken dort installieren, wo welche eingestürzt sind. Jenen, die ihr Hab und Gut in den Fluten verloren haben, werde so schnell wie möglich finanziell unter die Arme gegriffen, versprach die Regierung.

Zerstörte Straßen, kein Strom

Das Wasser hat das Land mittlerweile geradezu in zwei geteilt: Seit Dienstagabend ist die wichtigste Autobahn zwischen Athen und Thessaloniki auf einer Strecke von 200 Kilometern gesperrt. Die Hafenstadt Volos ist von der Umwelt fast völlig abgeschnitten. Zufahrtsstraßen sind zerstört oder überflutet, auch der Fährverkehr wurde eingestellt. Zudem ging das Trinkwasser in Supermärkten zur Neige - Strom und damit Wasserversorgung gibt es seit Tagen nicht.

Während der Rest von Griechenland kaum oder gar nicht betroffen ist - etwa die beliebten Urlaubsziele Kreta, Peloponnes, Kykladen und Chalkidiki - bleibt die Lage in vielen Dörfern der Region Thessalien unklar. Die Orte sind von der Außenwelt abgeschnitten.

Wegen des schweren Wetters konnten erst im Laufe des Donnerstags Hubschrauber zum Einsatz kommen. Videos in griechischen Medien zeigten waghalsige Rettungsaktionen in der immer noch von stürmischen Winden heimgesuchten Region.

«Thessaliens Flachland ist ein riesiger See», sagte Feuerwehrsprecher Giannis Artopoios dem Sender ERTnews. Vielerorts stehe das Wasser höher als zwei Meter. In der gesamten Region leben rund 700.000 Menschen - so gut wie alle seien von der Flut betroffen. «Wir hatten binnen 36 Stunden gut 5000 Notrufe, so etwas gab es noch nie», sagte Artopoios. Er bat die Menschen, weiterhin anzurufen - jene, die nicht unmittelbar gefährdet seien, rief er jedoch zu Geduld auf.

Viele Dörfer abgeschnitten

Die offizielle Zahl der Toten stieg am Donnerstag auf vier, als nahe der Stadt Domokos die Leiche eines Hirten geborgen wurde. Das Opfer sei im Geröll entdeckt worden, teilte die Feuerwehr mit. Über die Zahl der Vermissten hingegen konnten keine abschließenden Angaben gemacht werden. Zu viele Dörfer konnten noch nicht erreicht werden, auch haben die Menschen in den überfluteten Gebieten mittlerweile oft leere Handy-Akkus und können nicht mit der Außenwelt kommunizieren und Vermisste melden.

Zwar regnete und stürmte es in der betroffenen Region zunächst weiter und die Pegel stiegen immer höher, insgesamt aber gaben die Meteorologen vorsichtig Entwarnung: Bis zum Donnerstagabend sollen die Regenfälle aufhören.

Dann dürften die gewaltigen Schäden, die die schweren Unwetter verursacht haben, erstmals komplett sichtbar werden. Die Bürgermeister der betroffenen Gegenden sprachen in griechischen Medien von eingebrochenen Straßen und Brücken, von gekappten Stromverbindungen, aber auch von zerstörten Häusern und Unternehmen. Die Schäden dürften in die Milliarden gehen.

Wasser bis zu den Dächern

In der Stadt Karditsa reichte das Wasser vielerorts bis zu den Dächern der Häuser, so dass sich die Bewohner auf die Dächer retten mussten. «Das Wasser ist an manchen Stellen bis zu vier Meter hoch», sagte der Bewohner eines nahe gelegenen Ortes dem Sender Mega. Ihr Dorf sei unzugänglich, die ganze Ebene überflutet, Rettungskräfte könnten nicht kommen. «Vielleicht mit Hubschraubern, aber wo sollen sie landen? Es gibt kein Land mehr!», sagte ein Mann.

Thessalien gilt als die Kornkammer Griechenlands. Was das Extremwetter für die Ernte bedeutet, steht noch längst nicht fest. Die meisten Felder dürften zerstört sein.


Bildnachweis: © Vaggelis Kousioras/AP/dpa
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