6. Januar 2023 / Aus aller Welt

Melbourne ist die Kaffeehauptstadt der Welt

Ob Long Black, Flat White oder der sagenumwobene «Magic»: Melbourne ist ein Mekka für Kaffee-Kenner. Die Liebesgeschichte begann mit europäischen Migranten in den 1950er Jahren.

David Malaspina, der Besitzer von Pellegrini's Espresso Bar, in seinem Café.

Ein Barista bedient gekonnt die verschiedenen Hebel der großen Espresso-Maschine, die auf einem langen Holztresen thront. Menschen sitzen auf weinroten Barhockern, lesen Zeitung oder plaudern. Es riecht nach Leder, Kaffee und einer längst vergangenen Zeit: Pellegrini's Espresso Bar in Melbourne ist eines der ältesten Cafés der Stadt, das noch im Originalzustand ist. In der für ihre Kaffeekultur weltweit gefeierten Metropole ist das Lokal die wohl traditionsreichste Adresse schlechthin.

Das rot-grüne Neonzeichen mit der Aufschrift «Open 8AM» im Schaufenster, die Bodenfliesen im Schachbrettmuster und Familienfotos aus unterschiedlichen Jahrzehnten an den Wänden - das Café hat sich kaum verändert, seit es 1954 in Melbournes Innenstadt eröffnet wurde. «Viele Leute sagen uns, dass sie sich fühlen, als kämen sie nach Hause oder zu ihrer Großmutter», sagt der heutige Besitzer David Malaspina (42). Dann serviert sein Barista in einer braunen Tasse einen «Flat White» - eine australische Variante eines kleinen Milchkaffees, aber mit kräftigerem Kaffeegeschmack. Es ist einer der besten der Stadt, da sind sich die Gäste einig.

Die Einwanderer brachten die Kaffee-Kultur mit

An keinem anderen Ort der Welt gibt es pro Kopf so viele Cafés wie in Melbourne. Deswegen gilt Australiens zweitgrößte Stadt auch als Kaffeehauptstadt der Welt. Die Liebe zu der gerösteten Bohne geht auf die 1950er Jahre zurück. «Nach dem Krieg sind viele Europäer und viele andere Nationalitäten in diese wunderbare Stadt gekommen», erzählt Malaspina. «Und jeder hat seine Kultur mitgebracht. Für uns ist das der Kaffee.»

Vor allem italienische und griechische Einwanderer sind es, die die ersten europäischen Espresso-Maschinen in die Stadt bringen. Pellegrini's Espresso-Bar soll das erste Café mit einer solchen, damals völlig revolutionären Kaffeemaschine gewesen sein, so sagt die Legende - bewiesen ist das allerdings nicht. 1974 übernimmt Sisto Malaspina, ein italienischer Einwanderer, die Espresso-Bar gemeinsam mit Nino Pangrazio.

Das Duo schafft es nicht nur, das Café noch beliebter zu machen, beide werden auch zu Lokalhelden. Als Sisto Malaspina im November 2018 auf offener Straße in der Nähe seines Cafés bei einem Terroranschlag erstochen wird, trauert die gesamte Stadt. «Er war immer hier, sechs Tage die Woche», sagt David Malaspina über seinen Vater Sisto. «Er liebte Menschen, erzählte immer Geschichten und war außergewöhnlich gesellig.» Die Kaffee-Ikone bekommt sogar ein Staatsbegräbnis, zu dem sich Tausende Menschen versammeln.

Kenner bestellen den «Magic»

Heute verbindet Melbournes Kaffeeszene Tradition mit Innovation. Obwohl klassische «Long Blacks» (mit heißem Wasser verlängerter Espresso) und «Flat Whites» (Espresso mit leicht aufgeschäumter Milch und sehr wenig Milchschaum) immer noch zu den beliebtesten Kaffeegetränken gehören, gibt es auch neue Trends. Dazu zählt der etwas geheimnisumwitterte «Magic», den man außerhalb der Stadt kaum findet und der selbst in Melbourne nur selten auf der Getränkekarte steht. Doch eingeweihte Kaffee-Aficionados können den Wachmacher, der aus einem doppelten Ristretto (einer Espressovariante) mit leicht aufgeschäumter Milch besteht, bei erfahrenen Baristas bestellen.

Melbournes Einwohner gelten als echte «Coffee Snobs» und haben dementsprechend hohe Anforderungen an ihr geliebtes Heißgetränk. Ketten wie Starbucks können mit den mehr als 2000 Cafés der Stadt kaum mithalten.

Viele Bars und Röstereien legen etwa Wert auf «Single Origin Coffees» - Kaffeebohnen, deren Anbau bis auf kleinste Details genau nachvollziehbar ist. Auch werden die Brühtechniken ständig weiterentwickelt. Beliebt ist die «Pour Over»-Methode, bei der heißes Wasser durch gemahlenen Kaffee in einem Filter direkt in die Tasse gegossen wird. «Cold Brews» sind ebenfalls groß im Kommen: Die Bohnen werden hierbei etwas gröber gemahlen und zwölf Stunden lang mit kaltem Wasser bedeckt in den Kühlschrank gestellt. So soll ein weniger säurehaltiger Kaffee entstehen.

Kaffee ist ein kommunikatives Getränk

Die Kunst der Kaffeezubereitung wird derweil von Melbournes vielen Baristas immer weiter perfektioniert. Einer von ihnen ist der amtierende Barista-Weltmeister Anthony Douglas. Der 31-Jährige konnte sich bei den World Barista Championships, die 2022 passenderweise in seiner Heimatstadt Melbourne stattfanden, gegen die internationale Konkurrenz durchsetzen. Er servierte den Juroren unter anderem einen «Signature Drink» aus kolumbianischem Espresso mit Honig, lakto-fermentierter Passionsfrucht und kalt gebrühtem Hibiskustee.

«Zuerst habe ich mich in den Prozess der Zubereitung von Kaffee verliebt. Dann habe ich ein paar wirklich tolle Kaffeespezialitäten kennengelernt», erzählt Douglas. «Ich habe erkannt wie außergewöhnlich Kaffee sein kann.» Seine Liebe zu der braunen Bohne drückt der Star-Barista in raffinierten Kreationen aus, für die er präzise Techniken mit ganz neuen Geschmackskombinationen verbindet.

Für Douglas ist Kaffee sowohl theoretisches Wissen als auch Kunst: «Ich denke, man muss zunächst die Wissenschaft hinter der Kaffeezubereitung verstehen», sagt er. «Wenn man das getan hat, hat man die Freiheit, Kaffee auf verschiedene Weise auszudrücken, wie bei jeder anderen Kunstform auch.» Trotz seiner anspruchsvollen Kreationen, mit denen er die Gaumen seiner Kundschaft verwöhnt, mag er es selbst eher simpel: Je nach Laune trinkt Douglas Espresso, Flat White oder schlicht Filterkaffee.

Auch bei Pellegrini's Espresso Bar konzentriert man sich auf das Wesentliche: Wer nach Kurkuma-Lattes und Iced Frappuccinos mit Sojamilch sucht, der ist hier falsch. Geschäftsführer David Malaspina geht es aber nicht nur um einen guten Kaffee, sondern auch um die soziale Komponente, die seit jeher zu dem Kultgetränk gehört: «Kaffee bietet eine Möglichkeit, Gespräche zu beginnen und ist eine gute Ausrede, um sich zu treffen», sagt er. Auch am anderen Ende der Welt.


Bildnachweis: © Michelle Ostwald/dpa
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