15. Februar 2022 / Aus aller Welt

S-Bahn-Unfall bei München: Was wir wissen - und was nicht

Das S-Bahn-Unglück südlich von München erschüttert die Menschen weit über die Region hinaus. Wieder geschah es auf einer eingleisigen Strecke. Im Fokus steht nun die Frage nach den Ursachen.

Ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn geht an der Unfallstelle zweier aufeinander geprallter S-Bahnen in der Nähe des Bahnhofes Ebenhausen-Schäftlarn vorüber.

Auf einer eingleisigen Strecke sind im Landkreis München zwei S-Bahn-Züge frontal zusammengestoßen. Es gibt einen Toten und viele Verletzte.

Was wir wissen:

Der Hergang: Am Montagnachmittag gegen 16.35 Uhr kollidieren knapp nördlich des Bahnhofs Ebenhausen-Schäftlarn zwei S-Bahnen frontal. Die Strecke ist dort eingleisig. Mehrere Zugteile beider Bahnen springen aus den Gleisen. Die S-Bahn aus München Richtung Wolfratshausen hatte nach Angaben eines Sprechers der Bundespolizei etwa zehn Minuten Verspätung. Bei der Deutschen Bahn war dazu zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. Anwohner berichteten, eine S-Bahn habe vergleichsweise lange im Bahnhof gestanden. Binnen kürzester Zeit läuft ein Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten an - am Ende sind rund 800 Helfer beteiligt.

Die Opfer: In den Trümmern stirbt ein 24-jähriger Mann. Er hatte im vorderen Teil des Zuges in Richtung München Platz genommen. 18 Menschen werden verletzt, sechs von ihnen schwer. Unter den Schwerverletzten sind auch die beiden Lokführer. Zudem werden 25 Menschen ambulant versorgt. Insgesamt befanden sich etwa 95 Menschen in den Zügen. Einige konnten sich selbst aus den Waggons befreien, anderen halfen die Retter heraus.

Die Sicherheitstechnik: Die Unfallstrecke der Münchner S-Bahn ist nach Angaben aus Bahnkreisen mit einer elektronischen Sicherung ausgestattet. Die Technik überwache den Zugverkehr und könne Züge im Notfall automatisch bremsen, hieß es aus Bahnkreisen. Nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» verfügte die eingleisige Strecke über ein Sicherungssystem der Punktförmigen Zugbeeinflussung (PZB). Das System habe in der Unfallsituation angeschlagen und mindestens einen Zug gebremst.

Die Ermittlungen: Erste Zeugen wurden bereits vernommen. Die Fahrtenschreiber beider Triebwagen sind sichergestellt. Mit Drohnen wurde der Unfallort südlich von München aus der Luft fotografiert - für die Ermittlungen, aber auch zur Vorbereitung der Bergung. Gutachter sollen die Arbeit unterstützen.

Was wir nicht wissen:

Die Unfallursache: Die zentrale Frage ist: War es ein technischer Fehler - oder der Faktor Mensch? Laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) prüfen die Ermittler derzeit, ob der Frontalzusammenstoß zweier S-Bahnen in Schäftlarn durch menschliches Versagen verursacht wurde. Nach gegenwärtigem Stand gebe es keine Hinweise darauf, dass es um technisches Versagen gehe. Die Ermittlungen würden vor allem in Hinblick auf die Frage, ob es menschliches Versagen gab, konzentriert. Für Angaben der «Bild»-Zeitung, dass womöglich ein rotes Signal überfahren wurde, gibt es keine Bestätigung von den Ermittlern. Bei der Staatsanwaltschaft hieß es, es werde ergebnisoffen ermittelt.

Die Bergung: Auch am Tag nach dem Unglück laufen an der Unfallstelle Untersuchungen, erneut sind viele Einsatzkräfte vor Ort. Die Bahnstrecke blieb gesperrt, ebenso die Bundesstraße, die knapp unter der Unfallstelle vorbeiführt. Nicht zuletzt muss die Statik des Bahndamms geprüft werden. Nicht vor Mittwoch, aber vielleicht auch erst Donnerstag könne mit der Bergung der Züge begonnen werden, hieß es bei der Polizei. Wegen der Lage an einer steilen Böschung dürften die Arbeiten schwierig werden. Die Deutsche Bahn gab zunächst keine Prognose, wann die Strecke wieder freigegeben werden kann. Erst nach der Freigabe der Unfallstelle könne die DB mit den Aufräum- und Reparaturarbeiten beginnen. Schäden an der Infrastruktur könnten erst abschließend begutachtet und behoben werden, wenn die Züge abtransportiert worden seien.

Mögliche Parallelen zu anderen Unglücken: Spekulativ. Der Unfall weckt aber Erinnerungen an Bad Aibling. 2016 starben dort beim Zusammenstoß zweier Züge auf eingleisiger Strecke zwölf Menschen, 89 wurden verletzt. Ein Fahrdienstleiter hatte mit dem Handy gespielt und falsche Signale gesetzt. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Am 6. August vergangenen Jahres wiederum gab es unweit des aktuellen Unfallortes bereits eine Beinahe-Kollision zweier S-Bahnen. Bundespolizei-Sprecher Wolfgang Hauner sieht jedoch keine Parallelen. Damals seien Personen im Gleis gemeldet worden. Daraufhin erhielten beide Lokführer die Anweisung zum Langsamfahren. Einer der beiden hätte zudem warten müssen. Er habe das jedoch missverstanden und sei losgefahren. Da die Sicht auf gerader Strecke gut war und beide Züge langsam fuhren, konnten sie rechtzeitig bremsen.


Bildnachweis: © Matthias Balk/dpa
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