21. Mai 2024 / Aus aller Welt

UN: Graslandschaften in Not

Fast die Hälfte der weltweiten Landflächen sind Graslandschaften. Sie dienen Wildtieren als Lebensraum und Vieh als Weidegebiete. Doch ihre Bodenqualität schwindet, warnt ein UN-Bericht.

Schafe ziehen durch ein karges Weideland.

Die natürlichen Graslandschaften - mehr als die Hälfte der globalen Landfläche - sind in großen Teilen in schlechtem Zustand. Bei bis zu 50 Prozent dieser Rangelands genannten Gebiete sei die Bodenqualität vermindert, schreiben Fachleute in einem UN-Bericht, der veröffentlicht wurde.

Es handle sich um «eine ernsthafte Bedrohung für die Nahrungsmittelversorgung der Menschheit und das Wohlergehen oder gar Überleben von Milliarden von Menschen», teilte das Sekretariat des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD) in Bonn mit.

«Wenn wir einen Wald abholzen, wenn wir einen 100 Jahre alten Baum umfallen sehen, löst das bei vielen von uns zu Recht eine emotionale Reaktion aus. Die Umwandlung uralter Weideflächen hingegen geschieht in aller Stille», sagte UNCCD-Exekutivsekretär Ibrahim Thiaw.

Ein Großteil der Erde besteht aus Rangelands

Unter Rangelands versteht man verschiedene, von Wild und Vieh beweidete Landschaften mit vorrangig natürlicher Vegetation. Zu diesen naturnahen Graslandschaften gehören unter anderem Prärien, Steppen, Savannen, Buschland, Wüsten und Tundren. Wälder und intensiv genutzte Agrarflächen gehören hingegen nicht dazu.

Insgesamt machen Rangelands laut UN-Bericht rund 54 Prozent der Landfläche auf der Erde aus. «Sie stehen für ein Sechstel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und stellen fast ein Drittel des Kohlenstoffspeichers der Erde dar», schreibt die UNCCD. Insgesamt seien rund zwei Milliarden Menschen auf diese Gebiete angewiesen. 84 Prozent der Rangelands werden demnach für Viehzucht genutzt.

Zu den Problemen gehören dem Report zufolge unter anderem eine geringe Fruchtbarkeit der Böden und wenig Nährstoffe, Erosion, Versalzung und Verdichtung des Bodens. «Alle diese Faktoren tragen zu Trockenheit, Niederschlagsschwankungen und dem Verlust der biologischen Vielfalt über und unter der Erde bei.»

Negative Auswirkungen durch neues Ackerland

Als Hauptgründe für die schlechte Situation gibt die UNCCD vor allem Änderungen der Landnutzung an. So werden Weiden in Ackerland umfunktioniert, auch getrieben von der rasant wachsenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Textilfasern und Biosprit. Zudem ist es demnach problematisch, wenn Weiden übermäßig durch Tierherden beansprucht werden - oder sie nicht mehr durch Hirten gepflegt werden und verwildern. Auch die Klimakrise und der Verlust der biologischen Vielfalt machten Weidelandschaften zu schaffen, so die UNCCD.

In vielen westafrikanischen Staaten seien rund 80 Prozent der Bevölkerung in der Viehzucht beschäftigt. In Zentralasien und der Mongolei würden 60 Prozent der Landfläche als Weideland genutzt, fast ein Drittel der Bevölkerung lebe dort von der Viehzucht. Große Rangelands gibt es zudem in Nord- und Südamerika, in weiten Teilen Afrikas sowie in Australien.

In den USA seien große Teile des Grünlands allerdings in Ackerland umgewandelt, einige kanadische Grünlandgebiete würden durch großangelegte Bergbau- und Infrastrukturprojekte geschädigt. In Europa seien viele Rangelands Urbanisierung, Aufforstung und Erzeugung erneuerbarer Energien gewichen, so der Bericht.

Und in Deutschland?

In Deutschland gibt es nach der UNCCD-Definition keine Rangelands, wie eine Karte in dem Bericht zeigt. Zwar gebe es hierzulande auch Grasland, sagte Grünlandexpertin Anja Schmitz vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) der Deutschen Presse-Agentur. Es mache etwa ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Bis auf wenige Ausnahmen sei die hiesige Graslandvegetation jedoch nicht natürlich, sondern durch landwirtschaftliche Nutzung entstanden, sagte Schmitz. Anders als die Rangelands wird das Grünland hierzulande durch die Bewirtschaftung geformt, gedüngt, gepflegt und oft werden gezielt Gräser gesät. Wiesen werden mehrfach im Jahr gemäht und Nutztiere stehen auf eingezäunten Weiden.

Doch auch in Deutschland gebe es naturnahe Weidewirtschaft, sagte Schmitz. Man denke beispielsweise an Almen in den Bergen oder wandernde Schäfer, die mit ihren Tieren zum Erhalt von bedeutenden Grünlandbiotopen in der Kulturlandschaft beitragen. Wo Tiere weiden, sei die Artenvielfalt in der Regel größer als auf häufig gemähten Wiesen, sagte Schmitz.

Die UNCCD-Experten empfehlen unter anderem, den sogenannten Pastoralismus besser zu schützen. Darunter versteht man eine Jahrtausende alte Art zu leben, bei der teils umherziehende Hirten unter anderem Schafe, Ziege, Rinder, Pferde, Kamele, Yaks und Lamas halten. «Obwohl ihnen weltweit schätzungsweise eine halbe Milliarde Menschen angehören, werden Naturweidewirtschaft betreibende Gemeinschaften häufig übersehen, haben kein Mitspracherecht bei sie betreffenden politischen Entscheidungen, werden an den Rand gedrängt und sogar oft als Außenseiter in ihrem eigenen Land betrachtet», sagte Thiaw.


Bildnachweis: © Dean Lewins/AAP/dpa
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