12. Mai 2022 / Aus aller Welt

WWF-Studie: Mit Messer und Gabel Biodiversität schützen

Was wir essen, wirkt sich nicht nur auf unsere eigene Gesundheit, sondern auch auf die unzähliger Arten aus. Neue Studiendaten zeigen nun, wie groß der Einfluss unserer Ernährungsgewohnheiten ist.

Obst- und Gemüse im Supermarkt. Mit einer flexitarischen Ernährung mit begrenztem Konsum von tierischen Produkten könnte unser Biodiversitäts-Fußabdruck bereits spürbar verringert werd...

Ob umstrittenes Palmöl oder Billigfleisch mit fragwürdiger Klimabilanz - dass bestimmte Lebensmittel nicht gut für den CO2-Fußabdruck sind, ist weithin bekannt. Wie aber wirkt sich die Durchschnittsernährung der Deutschen auf die biologische Vielfalt aus?

Eine neue Studie der Umweltorganisation WWF beleuchtet, welchen Fußabdruck wir mit unserem Speiseplan in Sachen Vielfalt allen Lebens auf dem Land hinterlassen. Das Ergebnis: Was wir essen, hat großen Einfluss auf die Biodiversität - und das nicht nur hierzulande, sondern auch in weit entfernten Regionen.

Tierische Erzeugnisse haben größten Anteil am Fußabdruck

Der sogenannte Biodiversitäts-Fußabdruck als Wert in der WWF-Erhebung wird relativ komplex berechnet. Grob gesagt geht es darum, wie stark unsere Ernährung dazu führt, dass in Deutschland und rund um den Globus Naturräume mit ihren Tieren und Planzen beeinträchtigt werden.

In Zahlen stellen sich die konkreten Auswirkungen des Konsums verschiedener Lebensmittel den Daten nach so dar: Mit Abstand den größten Anteil am Fußabdruck haben mit 77 Prozent tierische Erzeugnisse wie Fleisch, Wurst, Eier oder Käse. Nur 23 Prozent resultieren hingegen aus dem Verbrauch pflanzlicher Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Getreide oder Nüsse.

Großer Flächenbedarf für Futtermittel

Bei den tierischen Erzeugnissen ist es vor allem der große Flächenbedarf für Futtermittel, der negativ zu Buche schlägt. «Alles, was wir auf dem Teller liegen haben oder einkaufen, wird ja irgendwo produziert und braucht dementsprechend Fläche», sagte Tanja Dräger, Ernährungsexpertin beim WWF Deutschland, der dpa. Einerseits sei man abhängig von den Leistungen einer intakten Natur, andererseits gefährde man sie aber auch selbst. Daraus, so fasst die Studie zusammen, resultiert: Je höher der Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln in der Ernährung, desto kleiner der Biodiversitäts-Fußabdruck, der weltweit verursacht wird.

Die biologische Vielfalt sehen Experten schon seit längerem im Abwärtstrend: So warnt der Weltbiodiversitätsrat (IPBES), dass etwa eine Million Tier- und Pflanzenarten in wenigen Jahrzehnten aussterben könnten. Dem Expertengremium zufolge spielen unsere Ernährungssysteme hier eine wesentliche Rolle. Sie sind für 70 Prozent des Verlustes an biologischer Vielfalt auf dem Land und für 50 Prozent in Flüssen und Seen verantwortlich.

Vegetarische und vegane Ernährung senken Fußabdruck deutlich

Neben dem Ist-Zustand gliedert die WWF-Erhebung aber auch auf, wie eine veränderte Ernährungsweise der Deutschen der biologischen Vielfalt zu Gute kommen könnte. Bei einer flexitarischen Ernährung, die einen begrenzten Konsum von tierischen Produkten umfasst, könnte unser Biodiversitäts-Fußabdruck insgesamt weltweit um 18 Prozent verringert werden - bei konsequenter vegetarischer Ernährung um ganze 46 Prozent, bei einer veganen Ernährung um 49 Prozent.

Von einem entsprechenden Umdenken beim Speiseplan würde demnach die Natur in Brasilien besonders stark profitieren - vor allem, weil dann wesentlich weniger Fläche für den Anbau von Soja als Futtermittel benötigt würde.

Ob Biene, Braunkehlchen oder Schmetterlinge in Deutschland, Orang-Utan in Malaysia oder Ameisenbär und Jaguar in Brasilien - die Arten, die durch bewusstere Ernährung geschützt werden könnten, sind zahlreich, betont Expertin Dräger. «Insofern ist das Potenzial groß, einen Beitrag zum Schutz der Lebensräume zu leisten, wenn man den Konsum tierischer Produkte reduziert. Und gleichermaßen dient es auch der eigenen Gesundheit.» Die Studie solle also ein Bewusstsein dafür schaffen, was der eigene Lebensmittelkonsum bewirken könne.

Kennzeichnung von Klimafreundlichkeit hilft

Eine neue Studie eines Teams rund um Ann-Katrin Betz von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg legt nahe, dass Menschen im Restaurant eher zu klimafreundlichem Essen greifen, wenn es in der Speisekarte auch als solches gekennzeichnet ist, ihnen der Nutzen für die Umwelt durch ihr Konsumverhalten also bewusst gemacht wird.

In der im Fachmagazin «Plos Climate» veröffentlichten Erhebung wählten 256 Menschen aus verschiedenen hypothetischen Menüs. Es zeigte sich, dass sie mehr klimafreundliche Gerichte wählten, wenn die Kohlenstoffkennzeichnung vorhanden war und wenn die Komponenten eher aus emissionsarmen Optionen bestanden.

«Vor allem anfangen»

Dennoch: Auf die Schulter der Verbraucher allein könne man die Last nicht legen, betont Dräger. «Hier sind Politik und Wirtschaft gefragt.» Konkret fordert der WWF auf Basis seiner Ergebnisse etwa von der Bundesregierung eine Ernährungsstrategie bis 2023 und den Weg hin zu einer Nachhaltigkeitssteuer. «Wir sehen derzeit, dass zum Teil pflanzliche Lebensmittel oder Fleischersatzprodukte teurer sind als Fleisch selbst», kritisiert Dräger. Zudem müsse der heimische Anbau von Obst, Gemüse, Nüssen und Hülsenfrüchten ausgebaut werden.

Antje Risius, die an der Universität Göttingen zu nachhaltigen Ernährungsstilen forscht, fasst zusammen, was jede und jeder Einzelne zum Schutz der Biodiversität tun muss - und was Politik und Wirtschaft: «Vor allem anfangen.» Entscheidend sei die effiziente Nutzung der Ressourcen. Eine pflanzlich orientierte Ausrichtung der Ernährung ermögliche es, gesundheitliche, wirtschaftliche und Umwelt-Aspekte zu vereinen.

Das bedeute aber für die Verbraucher, dass Informationen und Produkte verfügbar gemacht werden müssten. «Hierbei sind natürlich diejenigen zunächst gefragt, die die Rahmenbedingungen setzen - also Politik und Wirtschaft», sagt Risius. Faire Rahmenbedingungen für eine entsprechende Anpassung der Ernährungsgewohnheiten zu schaffen, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.


Bildnachweis: © Wolfgang Kumm/dpa
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