21. Februar 2023 / Allgemein

Trügerische Sicherheit

Kriminalstatistik Kreis Warendorf

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Trügerische Sicherheit

Mit Statistiken ist das so eine Sache. Man kann ihnen vorbehaltlos glauben – denn Zahlen lügen bekanntlich nicht. Oder man steht ihnen skeptisch gegenüberstehen, wie einst Winston Churchill, der nur Statistiken nur glaubte „wenn ich sie selbst gefälscht habe“. Beliebt auch der Kommentar eines Radiomoderators aus den 1970er Jahren: „Wenn der Jäger einmal links am Hasen vorbei schießt und einmal rechts, dann ist der Hase statistisch gesehen tot!“

Das Problem, wie man Statistiken verstehen und interpretieren muss, zeigte sich auch am Dienstag, bei der alljährlichen Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2022 im Kreis Warendorf, die insgesamt einen recht ordentlichen Eindruck machte. Der nachhaltigste Kernsatz dabei: Erneut sicherster Kreis im Münsterland und der Vergleichsgruppe – geringste Kriminalitätsbelastung.

Eine statistische Halbwahrheit. Zwar unbeabsichtigt, aber überdenkenswert.

Zunächst einmal zu den fraglos aussagekräftigen Zahlen. Demnach konnte mit 54,3% erneut mehr als jede zweite Straftat aufgeklärt werden, was im Zehnjahresdurchschnitt liegt und dem Kreis den zweiten Rang hinter dem Kreis Kleve sichert. Ein guter Wert, denn die absolute Zahl der angezeigten Straftaten nahm mit 1.408 um 11% zu. Die auf jeweils 100.000 Einwohner berechnete Kriminalitätshäufigkeitszahl (KHZ) liegt für den Kreis Warendorf bei 5.069 und damit weit unter jenen 7674 für den Landesdurchschnitt NRW. Auf Regionen heruntergebrochen zeigt sich, dass es sich in Beckum mit 6.696 am gefährlichsten und in Wadersloh mit nur weniger als durchschnittlich halb so vielen Straften (KHZ 3.126) am sichersten lebt. Warendorf verzeichnet mit einer KHZ von 4.562 einen guten Mittelwert. Beelen (KHZ 3.702), Everswinkel (KHZ 3.560) und Sassenberg (KHZ 3.416) weisen nur wenig schlechtere Werte auf als das glückliche Wadersloh.

Bei den Wohnungseinbrüchen sei ein erneuter Rückgang zu verzeichnen, legte Polizeidirektorin Andrea Mersch-Schneider dar. Ein Delikt, das mit nur 1,45% einen nur geringen Anteil an der Gesamtkriminalität hat, aber das Sicherheitsgefühl der Betroffenen – und vieler anderer – durch das Eindringen in die Privatsphäre in hohem Maße beeinträchtigt. Bei diesem Deliktfeld arbeitete Mersch-Schneider zwei wesentliche Punkte der Prävention heraus: Zum einen technische Sicherungen, die verhindern, dass der Einbruch erfolgreich verläuft. Zum anderen die Aufmerksamkeit von Nachbarn, die entweder Einbrüche verhindert oder aber zumindest zur Aufklärung und Feststellung der Täterschaft führen kann. Nur jeder zweite Einbruchsversuch sei erfolgreich gewesen, betonte die Polizeidirektorin und erneuerte ihr Plädoyer für Maßnahmen zu Einbruchssicherung.

Ein Anstieg von 1.039 Fällen bei den Diebstählen im Jahr 2022 ist, wie auch andere Zahlen der Statistik, auf den Rückgang von Corona-Maßnahmen zurückzuführen, denn das Leben spielte sich wieder verstärkt im öffentlichen Raum ab. Vor allem bei den Zweiraddiebstählen machen die Zahlen keinen beruhigenden Eindruck, denn es waren 264 mehr als im Vorjahr. Mersch-Schneider nannte dazu einige Fakten, beispielsweise die unverschlossene Garage, oder, falls die verschlossen ist, das darin befindliche unverschlossene Fahrrad. „Teilweise recht hohe Werte“, regt sie an, diese Dinge stärker ins Auge zu fassen. Neben den Rädern, gerne E-Bikes, wird auch deren Zubehör, vor allem Akkus, gestohlen. Einen größeren Diebstahl konnte die Polizei aufklären: Sieben Wohnwagen, die vom Gelände der Sassenberger Firma LMC entwendet worden waren, wurden wiedergefunden und die Täter festgestellt.

Die um 428 Taten gestiegene Zahl von Delikten der Straßenkriminalität ist vermutlich ebenfalls auf mehr Aktivitäten in der Öffentlichkeit zurückzuführen. Gelegenheit macht sprichwörtlich Diebe – oder auch Sachbeschädigungen. Gefühlt schlimmer ist das, vermutlich aus demselben Grund, höhere Maß an Gewalt- und Rohheitsdelikten. Körperverletzungen nehmen zu. „Ich glaube, dass sich die Einstellung zu Gewalt in gewisser Art und Weise geändert hat. Viele Dinge werden heute nicht mehr verbal gelöst“, so die erste, noch vorsichtige Formulierung der Polizeidirektorin, die kurz danach deutlicher wurde: „Heute fliegt schneller mal eine Faust!“ Tatsächlich weisen Wissenschaftler darauf hin, dass die fehlenden sozialen Kontakt in der Pandemiezeit diese Entwicklung negativ begünstigen. Die Gewalt gegen Rettungskräfte und andere Personen ist in gewissem Maße – aber längst nicht nur – ein Ausdruck dieses Phänomens.

Tötungsdelikte gab es im Kreis Warendorf statistisch nur drei, darunter zwei versuchte Tötungen. Der Fall der in Warendorf tot aufgefundenen Frau, bei dem der vermeintliche Täter in Spanien festgenommen werden konnte, fließt noch nicht in die Statistik 2022 ein, was einmal mehr die Verklärung der nur scheinbar objektiven Zahlen zeigt.

Am deutlichsten wird die Diskrepanz zwischen dem gefühlten Ist-Wert und dem zahlenmäßigen Umgang damit, im Bereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte: Denn die sogenannten Schockanrufe und Enkeltricks werden nicht dem gefühlten Tatort, sondern jenem Ort zugeordnet, von dem aus die Täter und Täterinnen agieren – der oft sogar im Ausland liegt. Somit könnten – rein theoretisch – zig ältere Leute in Warendorf Opfer solcher Betrugsversuche werden, ohne dass diese Zahl in der örtlichen Statistik erscheint. Eine Diskrepanz, die dem Geist einer Zeit entspricht, als die Welt nicht so vernetzt war wie heute. Hier täte eine Änderung zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit dringend not. Zur verbesserten Aufklärung der Vermögens- und Fälschungsdelikte wurde Ende 2022 ein eigenständiges Kriminalkommissariat geschaffen.

Eine traurig gute Entwicklung ist bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu verzeichnen, denn in diesem Bereich kommen mehr Straftaten zur Anzeige. Was sich zunächst negativ anhört, hat einen positiven Aspekt: Während derartige Delikte früher häufiger aus Scham verschwiegen wurden, wagen immer mehr Opfer den Gang zu Polizei und ermöglichen so die Verfolgung der Taten.

Die Kolleginnen und Kollegen hätten gute Arbeit geleistet, gab Frau Mersch-Schneider einen Gruß des Landrats weiter. Dieser Danke ihnen dafür und für die gute Zusammenarbeit, speziell auch in diesem, sehr anstrengenden Jahr 2022.

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