23. Februar 2022 / Aus aller Welt

Delfin-Kadaver an Frankreichs Küste - Tod in Fischernetzen

Wenn Delfine sich in Fischernetzen verfangen, ertrinken sie oft qualvoll. Jährlich werden hunderte tote Tiere an Frankreichs Küsten angespült. Gegen scharfe Maßnahmen sperrt sich die Pariser Regierung.

Jedes Jahr werden Hunderte Delfine an Frankreichs Stränden angespült, vorrangig an der Atlantikküste.

Manche Delfine sehen aus, als lebten sie noch und hätten sich nur kurz an Land verirrt. Andere sind schon stark verwest. Wieder anderen fehlt die Schwanzflosse, zum Teil weisen die Kadaver feine blutige Linien auf, wie auf Fotos von Meeresforschern zu sehen ist.

Jedes Jahr werden Hunderte der Meeressäuger an Frankreichs Stränden angespült, vorrangig an der Atlantikküste. Hauptsaison des makabren Phänomens: der Winter.

Allein bis Mitte Februar landeten laut offizieller Zählung mehr als 90 tote Delfine an Frankreichs Küsten. In den vergangenen drei Jahren waren es im Mittel jährlich rund 1100, Tendenz laut Experten: steigend.

Was die Tiere umbringt, daran bestehe kein Zweifel, sagt Hélène Peltier, Biologin in der Beobachtungsstelle für Meeressäuger Pelagis. Es sei in allererster Linie die Fischerei. Von den untersuchten angespülten Kadavern trügen 90 Prozent Spuren von Fischfangutensilien, sagt Peltier, etwa Schnitte in der Haut, verursacht durch die dünnen Fäden von Fischernetzen.

Qualvoll erstickt

Delfine, die als Beifang in Netzen landen, ertrinken - denn als Säugetiere sind sie darauf angewiesen, zum Luftholen an die Wasseroberfläche zu schwimmen. Die Körper dieser Tiere wiesen bei Autopsien Einblutungen auf - herbeigeführt durch das Ersticken, sagt Peltier. Die Lunge sei stark gerötet und oftmals voller Schaum, der von zerstörten Lungenzellen stamme. Die tatsächliche Zahl der auf diese Weise verendeten Tiere könne man nur schätzen, sagt sie. Denn längst nicht alle Kadaver würden angespült. Laut Pelagis dürfte sie bei 8000 bis 10.000 pro Jahr liegen.

Umweltschützer in Frankreich sind alarmiert. «Nahe der Küste bringen Fischerboote täglich tausende Kilometer Netze aus», sagt Lamya Essemlali, Vorsitzende der Meeresschutzorganisation Sea Sheperd Frankreich. Zum Teil seien die Fischer dabei mitten in bevorzugten Jagdgebieten der Delfine aktiv, konkurrierten mit den Säugern etwa um Barsche und Seehechte. «Die Delfine geraten dann in die Falle», so Essemlali.

Weiter draußen auf dem Meer wiederum seien große Fabrikschiffe unterwegs, die dort das Nahrungsangebot der Delfine verknappten. Dadurch verhungerten Tiere, andere würden in die hochgefährliche Zone nahe der Küste mit den vielen Netzen getrieben.

Fangverbote nötig

Die einzige Lösung, die schnell Abhilfe schaffen würde, seien Fangverbote in bestimmten Gebieten und während bestimmter Zeiten, sagt Hélène Peltier von der Beobachtungsstelle für Meeressäuger. Andere, feiner abgestimmte Maßnahmen seien derzeit keine Option - dafür hätten die Fischer in den vergangenen Jahren zu wenig mit den Forschern kooperiert und zu wenige Informationen über ihre Fangmethoden und ihre Erfahrungen mit Delfinen als Beifang geteilt.

Auch die renommierte internationale Meeresforschungseinrichtung ICES rät zum zeitlich befristeten Verbot aller bedenklichen Fischerei-Aktivitäten im Nordost-Atlantik. Das Institut schlägt Pausen von Dezember bis März sowie im Juli und August vor, den Monaten, in denen es regelmäßig zu besonders vielen Delfin-Todesfällen kommt.

Doch gegen Fangverbote sperrt sich bislang Frankreichs Regierung. Eine Anfrage dazu beim zuständigen Meeresministerium blieb unbeantwortet. Seit 2019 setzt Paris auf verpflichtende Pinger an Schleppnetzen. Das sind Geräte, die mit akustischen Signalen Delfine von den Netzen fernhalten sollen. Aber aus Expertensicht reicht das nicht.

Im Februar haben Umwelt- und Tierschutzorganisationen nun bei der EU-Kommission eine Petition mit rund einer halben Million Unterschriften eingereicht. Die Hoffnung: Druck auf Frankreich aufbauen - damit das jährlich wiederkehrende Winter-Schauspiel der angespülten Delfin-Kadaver ein Ende findet.


Bildnachweis: © Thierry Creux/Pelagis UAR3462 LRU/CNRS/dpa
Copyright 2022, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten

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