22. Mai 2023 / Aus aller Welt

Freie Liebe? Jüngere offener für offene Beziehungen

Ist Monogamsein bald von gestern? Eine neue Umfrage zeigt, dass viele in der jüngeren Generation ganz andere Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft haben als Ältere - oder zumindest nichts dagegen haben.

Junge Menschen sind offener, neue Lebensmodelle auszuprobieren - in der Liebe, aber auch im Berufsleben.

Offener fürs Offene: Jeder zweite Erwachsene unter 30 sagt dem Modell «Offene Liebesbeziehung» eine rosige Zukunft voraus. Das geht aus einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Fittkau und Maaß im Auftrag des Partnervermittlers ElitePartner hervor.

So sagen 49 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren, dass sie glaubten, «dass offene Beziehungen in Zukunft häufiger werden». In der Gesamtbevölkerung 18 bis 69 glaubt dies nur etwa ein Drittel (32 Prozent), bei den Leuten über 60 sogar nur etwa ein Fünftel.

Kluft zwischen den Geschlechtern

Offene Beziehung meint eine Partnerschaft, in der sich gegenseitig die Freiheit zugestanden wird, auch mit anderen Personen Sex zu haben. Anders gelagert ist sogenannte Polyamorie, bei der es darum geht, einvernehmlich zu mehreren Menschen parallel eine richtige Liebesbeziehung zu pflegen - und alle Beteiligten wissen voneinander.

Wenn es ernst wird, gibt es eine Kluft zwischen den Geschlechtern: Bei den unter 30-Jährigen kann sich nur etwa jede fünfte Frau (18 Prozent) grundsätzlich vorstellen, eine Beziehung offen zu führen. Bei den Männern unter 30 ist es dagegen fast jeder Dritte (30 Prozent). Bei den Befragten über 60 ist der Unterschied noch größer: Nur etwa 6 Prozent der Frauen, aber etwa 17 Prozent der 60- bis 69-jährigen Männer können sich eine offene Beziehung vorstellen.

Das richtige Modell finden

«Früher erschienen monogame Beziehungen alternativlos, heute denken vor allem junge Menschen freier, diskutieren gern neue Lebensmodelle und nähern sich dem Thema an, wenn auch durchaus konfliktvoll», sagt die Psychologin und ElitePartner-Forschungsleiterin Lisa Fischbach der Deutschen Presse-Agentur.

Die jüngere Generation gönne sich allgemein mehr Findungsfragen. Darunter auch: «Welches Arbeitsmodell, welches Beziehungsmodell passt für mich zu meinem Leben zum jetzigen Zeitpunkt? Ist es die klassische Zweierbeziehung oder gibt es da noch was anderes?»

Dass das in unserer Gesellschaft häufiger passiere, sagt die Buchautorin Fischbach («Treue ist auch keine Lösung»), habe unter anderem mit dem schwindenden Einfluss der Kirchen und überhaupt Religion in weiten Teilen der Bevölkerung zu tun und liege am Hinterfragen von tradierten Wertevorstellungen.

Eifersucht ein Thema

Der Studie zufolge hatten mit 14 Prozent schon doppelt so viele Männer wie Frauen (zumindest eine Zeit lang) eine offene Beziehung. Unter den 18- bis 39-Jährigen sollen es sogar 19 Prozent der Männer und immerhin 10 Prozent der Frauen sein.

Die Studie offenbart aber auch die Probleme, die viele bei einem lockerer gehandhabten Liebesleben sehen. So sagt über die Hälfte der Befragten, sie sei «zu eifersüchtig für eine offene Beziehung». Frauen (64 Prozent) sagen dies häufiger als Männer (56 Prozent). Frauen äußern auch öfter die Befürchtung, dass ihnen die Gefahr, sich bei einem mehrgleisigen Sexualleben zu verlieben, zu groß erscheine.

Wie denkt das Umfeld?

Außerdem denken mehr als 50 Prozent, dass der Vorschlag einer geöffneten Liebesbeziehung der Anfang vom Ende sein könne («Wenn meine Partnerin oder mein Partner eine offene Beziehung vorschlagen würde, hätte ich Sorge, dass sie oder er mich bald verlässt»).

Schließlich äußern auch viele die Einschätzung, dass sie gar keine Zeit fänden für Dates neben einer Beziehung (64 Prozent bei den Frauen und 56 Prozent bei den Männern). Und viele halten ihre Umgebung wie Freunde und Familie noch für recht traditionell. So sagen über alle Geschlechtergrenzen hinweg 35 Prozent, dass sie es geheim halten würden, wenn sie eine offene Beziehung führten, da das Umfeld dafür kein Verständnis hätte.


Bildnachweis: © Gerald Matzka/dpa
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