30. August 2022 / Aus aller Welt

NDR-Rundfunkrat prüft Vorwürfe in Kieler Redaktion

Gab es beim NDR eine zu große Nähe von Journalisten zu der Landesregierung Schleswig-Holstein, die sich in der Berichterstattung niederschlug? Der Fall wird jetzt überprüft.

Der NDR sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert.

Nach Vorwürfen gegen redaktionelle Führungskräfte des Norddeutschen Rundfunks (NDR) am Standort Kiel leitet der unabhängige Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein eine Prüfung ein.

«Wir als alleinzuständiges Kontrollgremium werden diese Prüfung durchführen und dort, wo es notwendig ist, externen Sachverstand hinzuziehen. Wir nehmen die erhobenen Vorwürfe sehr ernst», sagte die Vorsitzende Laura Pooth am späten Montagabend nach einer Sondersitzung. Die Gremiumsmitglieder werden demnach Unterlagen und Informationen einholen und die erforderlichen Gespräche führen.

Gab es einen «politischen Filter» in Kiel?

Der Fall dreht sich um Vorwürfe im Zusammenhang mit der Politik-Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen ARD-Senders. Das Online-Medium «Business Insider» und danach der «Stern» hatten über Vorwürfe berichtet, wonach es eine Art Filter durch die Vorgesetzten in der Redaktion geben könnte. Dabei ging es beispielsweise um ein Interview, das ein NDR-Journalist habe führen wollen, was seine Vorgesetzten aber abgelehnt hätten. Die Rundfunkratsvorsitzende Pooth sagte weiter zu der Prüfung: «Es darf selbstverständlich keine "politischen Filter" oder eine Arbeitsumgebung geben, die die unangemessene Einflussnahme oder das Durchregieren Einzelner ermöglicht.» Es gilt bis zur Aufklärung der Vorwürfe die Unschuldsvermutung.

Der Rundfunkrat ist beim NDR für die Überwachung der Programmarbeit zuständig. Das Gremium setzt sich aus ehrenamtlichen Vertretern etwa aus Verbänden, Politik, Gesellschaft und Sport zusammen. Diese sollen quasi die Breite der Gesellschaft repräsentieren.

In einem Schreiben an die Funkhaus-Spitze forderten zahlreiche NDR-Mitarbeiter die lückenlose und transparente Aufarbeitung aller Vorwürfe. Es gehe um die Reputation des Senders. In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag und über das zuvor der «Stern» berichtete, war auch die Rede von verloren gegangenem Vertrauen.

Der Deutsche Journalisten-Verband Nord (DJV) betonte, allein der Eindruck, dass es einen Eingriff in die politische Berichterstattung gegeben haben könnte, schade dem Sender - dessen Kapital das Vertrauen in unabhängigen Journalismus sei.

NDR weist Vorwürfe zurück

Der Chefredakteur des NDR für Schleswig-Holstein, Norbert Lorentzen, hatte zu den Berichten gesagt, man weise den «Vorwurf politischer Einflussnahme auf unsere Programme entschieden zurück». Ähnlich hatte sich der ARD-Sender NDR geäußert. «Den Vorwurf, es gebe einen "politischen Filter" im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein, weist der NDR zurück. Die Berichterstattung ist unvoreingenommen und unabhängig.» Zugleich sei man weiter in Gesprächen mit Mitarbeitern.

Inzwischen gab der NDR bekannt, dass der Chefredakteur und die Politik-Leiterin in Schleswig-Holstein nicht mehr in die Berichterstattung über die Vorgänge im eigenen Haus eingebunden seien. Darüber wurde auch im NDR Fernsehen berichtet.

Landesfunkhauschef Volker Thormählen sagte am Dienstagabend im NDR Fernsehen: «Wir haben ein Problem mit der Kultur, mit dem Klima und der Kommunikation hier bei uns im Haus.» Er habe das in Ansätzen gewusst, aber in der Dimension nicht richtig eingeschätzt - das bedaure er. In dem TV-Beitrag war auch die Rede von einem externen Mediator, der hinzugezogen werden soll.

Der ganze Fall hatte hier seinen Anfang genommen: Im Frühjahr 2020 hatte Ministerpräsident Daniel Günther seinen Innenminister und CDU-Kollegen Hans-Joachim Grote entlassen und das mit einem Vertrauensverlust begründet, weil er sich von ihm falsch über dessen Kommunikation mit einem Polizisten und einem Journalisten informiert fühlte. Grote bestritt Günthers Vorwürfe.

Der NDR-Journalist wollte den Ex-Innenminister interviewen. Der Redaktionsausschuss befasste sich mit dem Fall und kam in einem Bericht zu dem Schluss, dass das Interview mit dem ehemaligen Landesminister Grote hätte geführt werden müssen. Zugleich hieß es: «Den Verdacht, dass eine politische Motivation hinter der Absage des Interviews stehen könnte, macht sich der Redaktionsausschuss nicht zu eigen. Der Ausschuss sieht aber die Gefahr, dass so ein Verdacht entstehen könnte, wenn Fälle wie dieser nicht gründlich genug aufgeklärt werden.» In den Medienberichten kamen weitere Vorwürfe hinzu.


Bildnachweis: © Axel Heimken/dpa
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