4. Februar 2021 / Allgemein

Wir wollen keine Hilfen, sondern einfach nur wieder öffnen!!!

Christian Günnewig: „Es geht um Existenzen.“

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Wir wollen keine Hilfen, sondern einfach nur wieder öffnen!!!

Christian Günnewig: „Es geht um Existenzen.“

Gereizte Stimmung bei den Friseuren. Mitte Dezember schlossen sie gesetzlich verordnet ihre Salons, gaben die letzten Tage noch mal richtig Gas für ihre Kunden. Jetzt sitzen sie buchstäblich auf dem Trockenen: Für sie gilt ein absolutes Berufsverbot und die versprochenen unbürokratischen Hilfen konnten bis jetzt noch nicht beantragt werden. Ein absolutes No-Go für die Friseure vor Ort, denn es geht um ihre Existenz und die ihrer Mitarbeiter. 

Christian und Julia Günnewig übernahmen vor knapp elf Jahren das Geschäft ihrer Eltern – in diesem Jahr steht das 55-jährige Jubiläum an. Das Familienunternehmen ist nicht nur um das eigene Geschäft besorgt, sondern fürchtet sich vor den Folgen für die ganze Branche. „Unser Produkt ist der Haarschnitt. Den kann man nicht einfach verschicken“, erklärt Christian Günnewig. Er ist selbst stellvertretender Obermeister in der Friseurinnung und erlebt hautnah die Probleme der Kollegen. „Es geht um Existenzen.“ Politiker scheinen für ihn die Notsituation nicht wahrhaben zu wollen. Gemeinsam mit Profisportler tauchen sie mit frischem Haarschnitt vor den Kameras auf und setzen damit ein falsches Zeichen „Ich berichte auch nicht über eine Hungersnot und esse mir dabei ein Sandwich“, merkt Christian Günnewig sichtlich gereizt an. Statt Solidarität zu zeigen und den Bürgern Mut zu spenden, suggeriere man damit die Notwendigkeit eines Haarschnitts während des Lockdowns.

„Wir sind natürlich froh, dass es den Menschen wichtig ist. Nur leider möchten sie nicht bis zum Ende des Lockdowns warten“, erklärt Julia Günnewig die Problematik. Mit völligem Unverständnis reagieren die Geschwister auf Friseure, die in Online-Tutorials zeigen, wie sich jeder selbst die Haare schneiden kann. Für sie wird damit das gesamte Handwerk „in den Dreck gezogen“. „Viele vergessen, dass es sich um ein Handwerk handelt, für das wir jahrelang geübt haben. Mit einem YouTube-Video ist das nicht getan“, ärgert sich die Geschäftsfrau. Eigene Fehlversuche haben jedoch dazu geführt, dass einige doch gemerkt haben, dass man die Erfahrung nicht ohne weiteres kopieren kann. Die Anfragen bei Mitarbeitern häufen sich, ob nicht unter der Hand der Profi zur Schere greifen kann. 

Chiara Schilling, die seit vielen Jahren bei La Biostétique Günnewig arbeitet, wird vor allem über die sozialen Medien angefragt. „Irgendwo ist man geschmeichelt, dass man gefragt wird. Aber ich schneide mir damit nur selbst ins Fleisch“, meint die 25-Jährige. Von der derzeitigen Gesetzeslage her wäre der Arbeitgeber nicht nur dazu berechtigt eine fristlose Kündigung auszusprechen, Friseure begehen damit eine Straftat. Trotzdem gibt die Stylistin zu, dass sie in Versuchung geführt wurde. „Wir sind alle in Kurzarbeit. Natürlich war mein Gedanke dann: Also der Haarschnitt wäre mein nächster Wocheneinkauf.“ Auch für die Chefs nicht verständlich. „Sind wir wirklich alle so egoistisch?“, fragt sich Julia Günnewig. Immerhin würden die Anfragen die Friseure direkt zu einer Straftat und Schwarzarbeit auffordern. Kollegin Andrea Bosse versteht auch nicht, dass sich die Leute so sehr auf die Haare konzentrieren. „Kein Mensch kann derzeit groß irgendwo hin. Wofür muss ich also perfekt gestylt sein?“ 

Nicht nur die Angestellten sondern auch die Unternehmer selber kämpfen mit finanziellen Engpässen: ein Unternehmerlohn ist in keinem Hilfspaket vorgesehen „Die Salons sind geschlossen, die Beschäftigten befinden sich zunächst in Kurzarbeit. Rücklagen, die eigentlich für die Rente gedacht werden, werden jetzt zum Teil für den Lebensunterhalt aufgebraucht“, beschreibt Ann-Kristin Erdmann, Bereichsleitung Innungen der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf die prekäre Lage. 

Von der Regierung fühlen sich Günnewigs im Stich gelassen. „Scheinbar fallen wir durch alle Raster durch. Das ist paradox, denn bei uns Friseuren lief alles kontrolliert ab. Es ist alles nachvollziehbar und dokumentiert“, erklärt Julia Günnewig. Alle Vorgaben wurden umgesetzt, mit dem Ergebnis, dass auf unbestimmte Zeit geschlossen ist. Denn an eine Öffnung zu Mitte Februar glauben die Inhaber des Salons nicht. „Das schlimme ist die fehlende Perspektive für die Zukunft“, bringt es Christian Günnewig auf den Punkt. Branchenweit ist die Verzweiflung groß. „Manch ein Betriebsinhaber denkt an Entlassungen oder sogar an die Schließung des Betriebs. Einigen sind genötigt, Hartz IV zu beantragen“, beschreibt Erdmann die Situation der Friseure im Kreis – immerhin 220 an der Zahl. Ein weiteres Problem für die Unternehmen wäre, dass im Nachgang die Bedingungen der Hilfen teilweise noch mal angepasst werden. „Wir gehen davon aus, dass wir die Soforthilfe aus dem letzten Jahr komplett zurückzahlen müssen“, zeigt sich Julia Günnewig resigniert. Ohne Einnahmen gestalte sich zudem eine Rückzahlung schwierig. 

„Eigentlich wollen wir keine Hilfen, sondern einfach unseren Salon wieder öffnen und selbst Geld verdienen“, betonen Christian und Julia Günnewig. Bis dahin hoffen sie jedoch, dass die zugesagten „unbürokratischen Hilfen“ helfen, damit die Branche überleben kann. Sie selbst zeigen sich solidarisch: Christian Günnewig mit ungewohnt langen Haaren und Julia Günnewig mit einem deutlichen Ansatz. „Uns ist es auch wichtig wie wir aussehen. Wir setzen damit ein klares Statement nach Außen“, betont Julia Günnewig. Ein Statement, dass auch Bürgermeister Peter Horstmann unterstützt. „Ich bin Haarschnitttechnisch absolut überfällig“, gesteht Horstmann und zeigt damit Solidarität gegenüber den Friseuren. Auch appelliert er an die Bevölkerung, sich die Friseure nicht nach Hause zu holen und sich stattdessen darauf zu freuen, möglichst bald wieder einen Friseursalon besuchen zu dürfen.

Die Branche setzte von Sonntag auf Montag ebenfalls ein sichtbares Zeichen mit der Aktion „Licht an“ – ursprünglich sollten die Türen zum 1. Februar wieder geöffnet werden.

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